Roter Mond by Benjamin Percy

Roter Mond by Benjamin Percy

Autor:Benjamin Percy
Die sprache: deu
Format: mobi, azw3, epub
veröffentlicht: 2014-04-16T22:00:00+00:00


Kapitel 35

Letzte Nacht hat Patrick von seinem Vater geträumt. Er stand vorm Eingangstor des Stützpunkts. Der Tarnanzug hing in Fetzen an ihm herunter, rote Striemen leuchteten an Hand- und Fußgelenken, und seine nackten Füße schimmerten blau im Mondlicht. Auf seiner Schulter saß eine Krähe. Als er den Mund öffnete, kamen keine Worte daraus hervor, sondern ein höhnisches Krächzen.

Das war zu der Zeit, als der Kälteeinbruch kam, als ein Wind aus der Arktis über das Tal herfiel und die Temperatur innerhalb weniger Stunden um fünf Grad nach unten drückte. Mehrere Leitungen froren ein und platzten. Das Reparaturteam arbeitet bereits daran, aber in der Zwischenzeit bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Klohäuschen zu benutzen, und davon haben sie nicht genug. Exakt zwölf Stück. Zwölf Klohäuschen für den gesamten Stützpunkt. Für die Ingenieure, das medizinische Personal, die Mechaniker und Köche sowie fünf Kompanien von je dreißig Mann, die sich bei jeder Mahlzeit das Tablett so vollladen, wie es nur geht, und stolz berichten, wie oft sie zum Kacken gehen und was für einen großen Haufen sie diesmal hinterlassen haben.

Einmal am Tag müssen die Latrinen ausgebrannt werden. Patricks Zug wird diese Aufgabe übernehmen. Die Kompanien wechseln sich alle zwei Wochen ab mit den gerade anstehenden Aufgaben. Die Personenschützer eskortieren den Kommandanten und andere Offiziere in die umliegenden Städte und zur Mine. Die schnelle Eingreiftruppe bleibt im Stützpunkt, stets bereit, sofort auszurücken, falls eine Patrouille, ein Vorposten, eine der Uranminen oder eine Schlachtposition angegriffen wird. Die Präsenzpatrouillen sind je vier Stunden unterwegs, durchkämmen Gelände und Dörfer und greifen Verdächtige auf. Oder sie reden einfach nur mit den Einwohnern und verteilen Süßigkeiten an die Kinder. Bei den meisten Lykanern sind sie gern gesehen, weil ihre Anwesenheit ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt und sie dankbar sind für die Jobs in den Minen.

Dann gibt es noch die Stützpunktsicherung und Mädchenarbeit – Aufgaben, die stets den Mannschaften vorbehalten bleiben: Wache schieben, Teller waschen, Wäsche stapeln, Böden schrubben, wischen und polieren, Munition sortieren, Container voll Toilettenpapier und Lebensmitteln ausladen. Und die Latrinen ausbrennen.

Patricks Kompanie ist während der nächsten Rotation für Stützpunktsicherung und Mädchenarbeit zuständig. Jede Kompanie besteht aus drei Zügen zu je zwölf Mann, und der Sergeant wird dafür sorgen, dass Patricks Zug die Latrinen bekommt. Dank Trevor.

Sie zurren vier Klohäuschen auf der Ladefläche des Lasters fest, nehmen Rohrzangen und mit Kacke verkrustete Eisenstangen mit, Schweißerhandschuhe und mehrere Kanister Diesel. Damit fahren sie fünf Meilen gegen den Wind zu einer kohlrabenschwarzen Jauche- und Abfallgrube. Sie ist schon seit Jahren in Benutzung, und der Gestank ist bestialisch. Dort laden sie die Häuschen ab, zerren mit den Rohrzangen die Scheißebehälter heraus, übergießen den halbgefrorenen braunen Inhalt mit Diesel und zünden ihn an. Aus sicherer Entfernung beobachten sie ein paar Minuten, wie tiefschwarzer Rauch aus den brennenden Fässern in den Himmel steigt, dann müssen sie zurück in die glühende Hitze und den Gestank und rühren mit den Eisenstangen in den Fässern, damit auch alles schön verbrennt. Schon seit Tagen geht das so. Seit die Duschen nicht mehr funktionieren, kann Patrick sich am Waschbecken abschrubben, so viel er will.



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